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5. Fastensonntag, Lj A, 26.3.2023 – Hubertusmesse in Erbshausen-Sulzwiesen

Jesus setzt ein eindeutiges Zeichen für das Leben

Bei der Messfeier für die Mitglieder des Hubertusvereins und die Gemeinde in Erbshausen-Sulzwiesen sagte Domkapitular Clemens Bieber in Anspielung auf den für Montag angekündigten großen Streik: „Nicht das Land, das Leben lahmlegen, damit nichts mehr geht. Nein, es geht darum, als Christen beherzt, mutig und überzeugend mitwirken an einer gerechten Gesellschaft und einem verantwortungsbewussten Miteinander, in dem die Menschen gut und voller Hoffnung leben können.“ Die Messfeier wurde von den „Fränkischen Parforcehörner“ und Leitung von Joachim Görtler musikalisch umrahmt.

Die Predigt im Wortlaut:

„Dann geht nichts mehr!“ So die Ankündigung der Gewerkschaften. „Wir legen das Land lahm!“ Die Hoffnung der Gewerkschaften ist, „dass die Arbeitgeber endlich aufwachen“. Es geht um mehr Geld. Dabei verweisen die Gewerkschaften und mit ihnen die Protestierenden auf die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten.
Die Argumentation vermag ich sehr wohl nachvollziehen, wenngleich sich mir die Frage stellt, ob deswegen das ganze Land lahmgelegt werden muss: „Dann geht nichts mehr!“

Rein sachlich besehen geht es bei den Lohnforderungen um die Interessen eines Teils der Bevölkerung in unserem Land. Ich sehe durchaus, dass sich unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes wichtige soziale Berufe befinden wie z.B. in Kita und Pflege. Dennoch gilt es das gesamte Spektrum unserer Gesellschaft, ja sogar der Menschen in Blick zu nehmen. Denn ich fürchte, dass bald nichts mehr geht, nicht weil der Verkehr durch Gewerkschaftsinitiative lahmgelegt wird, sondern weil die Menschen bei uns und in anderen Ländern aufbegehren und gegeneinander gehen.

Schauen wir auf den Zusammenbruch der großen, weltweit agierenden Bank „Credit suisse“ vor einer Woche. Was haben die Bankenmanager und Finanzjongleure aus der Finanzkrise vor 15 Jahren gelernt? Offensichtlich wenig und schon gar nichts im Blick auf ihre soziale Verantwortung. So sollen trotz der sieben Milliarden Verluste im Geschäftsjahr 2022 jetzt noch Boni an das Management ausgezahlt worden sein.

Das Wohlstandsgefälle in unseren westlichen Gesellschaften wird ständig steiler und die Wohlstandsschere geht immer weiter auseinander. Unter diesen Bedingungen fällt die Gesellschaft stetig weiter auseinander. „Fridays for future“ und „die letzte Generation“ erscheinen dann noch als die harmloseren Formen des Protestes. Die Vorkommnisse z.B. in der Silvesternacht – nicht nur in Großstädten wie in Berlin sondern auch in kleinen Städtchen wie Ostheim vor der Rhön – sind vielleicht ein Vorgeschmack davon, was da auf uns zukommt.

Aber nicht nur die Vorgänge auf der großen Bühne unserer Gesellschaft machen Sorge, auch die vielen Vorkommnisse im unmittelbaren Zusammenleben der Menschen. Täglich erreichen uns Meldungen, dass Raubüberfälle mit brutaler Gewalt geschehen. Ein 17jähriger tötet eine 50jährige Blumenfrau, ein ertappter Wilderer erschießt zwei Polizisten. Streitigkeiten zwischen Nachbarn enden in tödlichen Auseinandersetzungen, Ehepaare bringen sich gegenseitig um, erwachsene Kinder ihre Eltern, zwei Mädchen töten ihre Freundin. Jemand setzt sich ins Auto setzt und fährt willkürlich Menschen an.
Und wenn wir jetzt noch bedenken, in wie vielen juristischen Verfahren derzeit geprüft wird, ob die in der Corona-Krise gewährten Unterstützungsleistungen in allen Fällen wirklich berechtigt waren und korrekt abgerechnet wurden, dann wird klar, dass wir den mahnenden Zeigefinger nicht nur nach oben in Richtung der Wohlhabenderen erheben dürfen, sondern auch der sogenannte „kleine Mann“ sich fragen muss, was er zu einem friedlichen und hoffnungsvollen Miteinander beiträgt.

Ein wesentliches Grundproblem ist, dass zunehmend mehr Zeitgenossen das Leben nur in der begrenzten, überschaubaren Zeitspanne sehen. Hier gilt es, für sich herauszuholen, was nur geht. Es kommt also bei allem auf den grundsätzlichen Blick für das Leben an.

„Worauf warten wir?“, so heißt der Titel eines Buches des weltbekannten Benediktiners und langjährigen Abtprimas Notker Wolf, der heute in der Erzabtei St. Ottilien bei Landsberg am Lech lebt, aber fast das ganze Jahr über in aller Welt unterwegs ist. In unzähligen Vorträgen, Diskussionen, Exerzitien und Predigten wirbt er dabei für ein Leben und ein Miteinander aus dem Geist der Frohen Botschaft.
In dem erwähnten Buch „Worauf warten wir?“ hinterfragt er das Ansinnen der sogenannten 68er-Generation bei uns, die alles christliche Gedankengut und die christliche Lebenshaltung verbannen wollte und dies über die Jahrzehnte hinweg, so mein Eindruck, auch bald geschafft hat. Die Vorstellung, jeder sei sich selbst der Nächste, der eigene Vorteil das höchste Prinzip und der Übervater Staat für alles verantwortlich, kritisiert Notker Wolf in seinem Buch mit treffenden Argumenten. Er zeigt auf, dass die Frohe Botschaft Jesu und der christliche Glaube die sinnvollste Leitlinie sind für ein hoffnungsvolles Leben des Einzelnen und für eine menschenwürdige Gesellschaft, und somit für ein ausgewogenes Maß an Eigenverantwortung des Menschen und für die Solidarität der Gemeinschaft.

„Worauf warten wir?“ – Deswegen gehen und wirken die Benediktiner heute noch auch in Staaten, in denen der Sozialismus als höchste Religion erachtet wird, wo sich deshalb nicht nur Dekadenz im Miteinander ausbreitet, sondern auch Lethargie und Gleichgültigkeit die Menschen und das Leben lähmt, weil Armut zur Normalität und Zuversicht zu einem Fremdwort geworden sind. In solchen Lebensumständen setzen junge, suchende Menschen große Hoffnung auf die christliche Lebensbotschaft. Sie gibt Mut zum Leben und Vertrauen in eine gute Zukunft.

In ihrer Sorge um den schwer erkrankten Lazarus schickten Marta und Maria die Nachricht zu Jesus, dass er krank sei, und baten ihn, zu kommen. Sie setzen in ihrer Hilflosigkeit auf Jesus. Und als Jesus zu Marta und Maria kam und vom Tod des Lazarus erfuhr, war er „im Innersten erregt und erschüttert“. Der Tod des jungen Mannes hat ihn zutiefst getroffen, aber sicher auch die Tatsache, dass seine beiden Schwestern ohne ihren Bruder – nach den damaligen gesellschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten – nun recht- und hilflos waren.

Die Kernbotschaft des heutigen Evangeliums ist die Liebe Jesu zum Leben, die darin deutlich wird. Er setzt ein eindeutiges Zeichen für das Leben. Damit ist die Begrenztheit der irdischen, natürlichen Lebenszeit nicht außer Kraft gesetzt, aber Jesus macht offenkundig, dass der Tod durch IHN seine Endgültigkeit verliert. Jesus findet sich nicht mit der Situation ab nach dem Motto: „Das ist halt so, da kann man nichts ändern!“ Nachdem er Lazarus aus seinem Grab gerufen hatte, ließ er ihm die Binden lösen. Bildlich gesprochen löst er ihn von all dem, was ihn bindet, was ihn nicht mehr weiterkommen lässt auf seinem Weg. Jesus entfesselt ihn.

Es geht also nicht darum, das Land lahmzulegen, im Gegenteil geht es darum, all das aufzubrechen, was Menschen nicht nur in materieller, sondern auch in geistiger Not und Armut bindet. Die Mission, der Auftrag an uns Christen, gilt deshalb sowohl den Menschen nicht nur in den unterentwickelten Ländern, sondern mehr und mehr auch bei uns, in unserer Gesellschaft.

Im Zusammenhang mit den Berichten über Misshandlungen und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen – auch in der damaligen DDR – wurde vor einigen Wochen auf die DDR-Pädagogik verwiesen. Dabei wurde der Philosoph Robert Bly zitiert, der schon 1997 geschrieben hat: „Die wachsende Abneigung von Menschen gegen Menschen konzentriert sich heute in der Vernachlässigung der Kinder.“ Als Gründe nannte er Medienverwahrlosung, mangelnde Moralentwicklung und Infantilität der Erwachsenen, die sich wie „Dauerjugendliche“ benähmen.
Für mich zeigt sich auch darin, dass der Verlust an christlichen Werten eine entscheidende Rolle spielt in der Frage von aktiver Sterbehilfe, Embryonenforschung, Abtreibung und Gewalt von Müttern und Vätern gegen ihre Kinder. Die Erziehung mit einer Lebensvorstellung ohne Gott und nur mit Blick auf sich selbst und seine eigenen Wünsche, bleibt nicht folgenlos.

Wenn wir den Menschen in aller Welt zu gerechten und menschenwürdigen Lebensbedingungen verhelfen wollen, genügt es nicht, nur die materiellen Lebensgrundlagen zu verbessern. Vielmehr müssen auch die geistigen Defizite behoben werden.

„Worauf warten wir?“, so fragt Abtprimas Notker Wolf. Er kritisiert, dass viele die Hände in den Schoß legen und warten, dass andere alles für sie meistern und dass viele nur aus der Hand in den Mund leben, sich also mit oberflächlichem Konsum zufriedengeben. Seine Antwort ist, nicht zu warten, sondern mit der Frohen Botschaft Jesu im Herzen die Aufgaben und Herausforderungen anzugehen und dem Leben zum Durchbruch zu verhelfen. Der Glaube und die Lebenshaltung, die sich aus der Botschaft Jesu ableiten, fördern ein menschenwürdiges Leben.

Im Evangelium des 5. Fastensonntags machen Marta und Maria deutlich, auf wen sie warten: Auf Jesus, denn er verhilft uns zum Leben – schon jetzt, solange wir in dieser irdischen, vergänglichen Existenz zuhause sind, und schließlich durch den Tod hindurch.

Nehmen wir unseren Auftrag in Blick, als Christen der geistigen und materiellen Not in aller Welt entgegenzuwirken. Bei diesem Auftrag geht es auch einer Gemeinschaft wie dem „Katholischen Männerverein St. Hubertus“, der vor 180 Jahren in Zeiten gravierender Veränderungen in unserer Gesellschaft gegründet wurde, mit seinen über 100 Ortsvereinen in Unterfranken darum, auf eine geistliche Grundlage hinzuwirken, auf eine Basis also, aus der eine Verbesserungen der Lebenslage erwächst – bei uns und in aller Welt.
Ebenso ist es unser Auftrag, aus der Frohen Botschaft Jesu heraus unsere Gesellschaft mitzugestalten. Dadurch überwinden wir die geistige Not, den Verlust an Werten, an Rechtsempfinden, an Gerechtigkeit und an Solidarität.

Nicht das Land, das Leben lahmlegen, damit nichts mehr geht. Nein, es geht darum, als Christen beherzt, mutig und überzeugend mitwirken an einer gerechten Gesellschaft und einem verantwortungsbewussten Miteinander, in dem die Menschen gut und voller Hoffnung leben können. Dann kann sich auch heute ereignen, was das Evangelium berichtet: „Viele, die gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn.“

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Veränderung

Mahatma Gandhi schreibt:

Veränderung

Sei
du selbst

die Veränderung
für diese Welt

die du
dir wünschst